EU-Barrierefreiheit (EAA) für Onlineshops & Services – bis wann, was, wie?

von Sep. 4, 2025Office 3650 Kommentare

Ab 28. Juni 2025 müssen viele digitale Produkte und vor allem Onlineshops & digitale Services in der EU barrierefrei sein. Der European Accessibility Act (EAA) setzt damit neue Mindeststandards für nutzbare, verständliche und wahrnehmbare Angebote im Netz.

Was ist der European Accessibility Act (EAA)?

Der EAA ist eine EU-Richtlinie, die sicherstellt, dass wichtige Produkte und digitale Dienstleistungen – darunter Dienstleistungen des elektronischen Geschäftsverkehrs (z. B. Onlineshops) – für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. In den Mitgliedstaaten wird er über nationale Gesetze umgesetzt (z. B. in Deutschland über das Barrierefreiheitsstärkungs­gesetz – BFSG).

Praxisrelevant für Shops & Services: Navigation per Tastatur, verständliche Formulare (Checkout!), ausreichender Kontrast, Alternativtexte für Medien, klare Fehlermeldungen, skalierbare Inhalte und barrierefreie Dokumente.

Wer ist betroffen?

Typische betroffene Angebote

  • Onlineshops & Buchungsstrecken (z. B. Tickets, Kurse, Termine)
  • Kundenportale, Self-Service-Bereiche, SaaS-Apps
  • E-Commerce-Kernprozesse: Produktansicht → Warenkorb → Checkout → Bestellbestätigung
  • Digitale Dokumente/Belege (z. B. PDFs, Rechnungen, AGB)

Hinweis

Umfang und Ausnahmen hängen von der nationalen Umsetzung ab (z. B. Übergangs-/Ausnahme­regelungen für sehr kleine Unternehmen oder bestehende Verträge). Dieser Beitrag ist keine Rechtsberatung – prüfe die Regeln in deinem Land bzw. sprich mit deiner Rechtsabteilung.

Bis wann gilt was?

  • Ab 28. Juni 2025: Grundsätzliche Barrierefreiheits-Pflichten für betroffene Services treten in Kraft.
  • Übergangsregeln: Für bereits bestehende Produkte/Verträge können nationale Übergangsfristen gelten. Prüfe die konkrete Umsetzung (z. B. BFSG in Deutschland).

Tipp: Plane rechtzeitig – größere Shops benötigen 2–4 Monate für Audit, Fixes und Qualitätssicherung.

Kernanforderungen (kompakt)

Bereich Worum geht’s? Beispiele für Umsetzung
Wahrnehmbarkeit Inhalte müssen erfassbar sein – auch ohne Maus/Sehen/Hören. Alt-Texte für Bilder, Untertitel/Transkripte, ausreichende Kontraste, korrekte Überschriftenstruktur (H1–H6).
Bedienbarkeit Steuerung per Tastatur; Fokus sichtbar & logisch. Tastatur-Navigation, Skip-Links, Fokus-Reihenfolge, keine Tastatur-Fallen, keine animierten Auto-Slider.
Verständlichkeit Texte und Interaktionen sind klar, konsistent, vorhersehbar. Beschriftete Formulare (Labels), verständliche Fehlermeldungen, Eingabe-Hilfen, eindeutige Button-Texte („Jetzt kaufen“ statt „Weiter“).
Robustheit Kompatibel mit Hilfstechnologien. Sauberes HTML, ARIA nur wo nötig, semantische Elemente, keine Blockaden durch Skripte.
Dokumente Belege/Infos dürfen niemanden ausschließen. Barrierefreie PDFs (Tags, Lese­reihenfolge), Alternativformate, maschinenlesbare Inhalte.
Fehlerprävention Besonders im Checkout wichtig. Validierung mit konkreten Hinweisen, deutliche Fehlerzustände, Korrektur-Möglichkeit vor Kaufabschluss.

Orientiere dich an WCAG 2.1/2.2 Level AA sowie der europäischen Norm EN 301 549 (aktuelle Fassung).

Schritte zur Umsetzung (pragmatischer Fahrplan)

1) Audit (2–3 Wochen)

  1. Ist-Analyse Top-Flows: Produkt → Warenkorb → Checkout → Konto.
  2. Technik-Check: Theme/Builder, Komponenten, Dritt-Skripte.
  3. Messbare Findings + Priorisierung (Must-haves vs. Nice-to-haves).

2) Umsetzung (4–8 Wochen)

  1. Kontrast & Typografie, Fokus-Stile, Skip-Links.
  2. Formulare/Checkout inkl. Fehlerführung & Labels.
  3. Medien-Alternativen (Alt-Texte, Untertitel) & Dokumente.

3) Qualitätssicherung

  1. Screenreader-Smoke-Tests (NVDA/VoiceOver).
  2. Tastatur-Durchgänge & Tab-Reihenfolge.
  3. Regression-Tests nach Deploy, Monitoring einrichten.

4) Betrieb & Nachweis

  1. Kurze Erklärung zur Barrierefreiheit veröffentlichen.
  2. Kontakt/Feedback-Mechanismus bereitstellen.
  3. Release-Prozess: Accessibility-Check als fester Schritt.

10-Min-Quick-Check (selbst testen)

Kontrast & Zoom

  • Reicht der Kontrast? (Ziel ~ WCAG AA)
  • Zoom 200 % – ist alles nutzbar?

Tastatur

  • Nur mit Tab/Shift+Tab durch Checkout?
  • Ist der Fokus immer sichtbar?

Formulare

  • Jedes Feld hat ein sichtbares Label?
  • Fehlerhinweise sind konkret & in Text?
Service-Baustein: Wir bieten ein kompaktes EAA-Schnellaudit (Shop-Flows, Checkout, PDFs) inkl. Prioritäten-Plan und konkreten Code-Empfehlungen – ideal für den Start.

FAQ – häufige Fragen

Gilt das auch für „normale“ Unternehmenswebseiten ohne Shop?

Der EAA zielt auf bestimmte Produkte/Services. Klassische reine Image-Seiten ohne E-Commerce-Funktion fallen in der Regel nicht direkt darunter – gute Barrierefreiheit lohnt sich dennoch.

Welche Norm/Standards soll ich konkret nehmen?

Praktisch hat sich WCAG 2.1/2.2 Level AA als Ziel etabliert; in Europa verweist die Norm EN 301 549 auf WCAG-Erfolgskriterien. Das ist eine robuste, prüfbare Basis.

Gibt es Ausnahmen oder Übergangsfristen?

Ja, je nach nationaler Umsetzung können Übergangs- bzw. Ausnahmeregeln existieren (z. B. für bestehende Verträge oder Kleinstunternehmen). Prüfe die Regeln deines Landes (in DE: BFSG).

Hinweis: Dieser Beitrag dient der Information und ersetzt keine Rechtsberatung. Prüfe die nationale Umsetzung und halte Fristen im Blick.

Jonas Mohr